Expedition Altai-Ukok 2014
Im Juli 2014 hat die deutsche Nationalelf sich ganz erfolgreich präsentiert. Das konnten ich und meine fünf "Mitleidende"
nicht live verfolgen, weil wir genau zu dem Anpfiff schon in einer ziemlich unbewohnter Gegend unser ersten Biwak
aufgeschlagen haben.
Aber von vorne: die Idee, eine Expedition zum Plateau Ukok zu starten, das in der Kreuzung von vier Länder liegt, kam nicht plötzlich. Ich komme selbst aus einem angrenzendem Gebiet und habe meine
erste Bekanntschaft mit Altai in der Jugend gemacht. Damals habe ich im Sommer bei Geologen gejobt und habe Rucksack mit Erdreichproben einem Forscher hinterher geschleppt. Das ganze erreignete sich
im Bergland Altai und ich verliebte mich in die Landschaften, Strömungen und unübersehbaren Weiten einmal und für immer.
Plateau Ukok ist eine Hochgebirgsebene, die auf einer Höhe von 2200-2500 Meter über dem Meeresspiegel, in einer Bodenvertiefung zwischen den Gebirgskämmen Sailugem und Yuzhni-Altai liegt.
Die maximale absolute Höhenlage der gebirgigen Einfassung der Hochfläche, der Gebirgsknoten Тavan-Bogdo-Ula (Fünf heilige Gipfelpunkte), der höhste Punkt — Nairamdal — erreicht 4 374 Meter über dem
Meeresspiegel. Dieser Berg ist der zweit- höhste Gipfelpunkt nach Belucha in Sibirien. Das Plateau Ukok ist allen Hinsichten eines der schwerzugänglichsten Orten des Altai, welches an der Grenze von
vier Staaten liegt, Russland, der Mongolei, China und Kasachstan.
Am Ende des vergangenen Jahrhunderts wurde in einem der Gebirgskämme des Plateaus, von Archäologen die Mumie einer jungen Frau gefunden, die mindestens 2500 Jahre alt war. Diese hat man Prinzessin Ukok genannt. Nach dieser Entdeckung entstand auf der ganzen Welt eine Welle des Interesses für dieses Plateau. Nach dem Abtransport der Prinzessin begannen im Altai Naturdesaster, sowie ein Erdbeben der Stärke 9 und Überschwemmungen in der gesamten Region. Nach der Prinzessin fanden die Archäologen noch eine Mumie, welche aus dem gleichen Zeitraum datiert war, doch diesmal war es ein Mann. Das Plateau wurde zur Zone der Ruhe, alle archäologischen Arbeiten danach wurden gestoppt und Touristen mussten eine spezielle Erlaubnis besitzen um dieses Tal zu betreten.
Ist doch ein guter Grund sich vom Sofa runter zu reißen?
Es ging also am 9.07.2014 vom Berliner Flughafen los. Nachdem wir nochmal aus der Maschine wegen "Technischem Service" raus mussten, und drei Stunden im Terminal gewartet haben, hatte ich schon
Bedenken wegen unserem Umsteigen in St. Petersburg. Gott sei Dank war die Zeit genügend da (fast 7 Stunden) aber unser Kurztrip in der Stadt der Revolution sollten wir schon stornieren und unsere
freundliche Guide kurz vorm st. Petersburger Flughafen umdrehen lassen.
Na ja, ist alles gut, was gut endet und wir sind pünktlich in Nowosibirsk gelandet. Der Gastgeber Andrey, mein bester Freund seit 14 Jahre, holte uns von Flugplatz ab und brachte in eine extra für
uns überlassene Wohnung, wo wir unser übriges Gepäck zurücklassen konnten und das Vergnügen hatten um 7 Uhr morgens Borschtsch zu essen. Also mit der Suppe war eine ganz verrückte Geschichte. In der
Wohnung war ausser Andrey noch ein Mädchen namens Lena und deren Ehemann Sergey. Sie warteten auf uns die ganze Nacht und waren schon etwas müde von den ganzen leichten und schweren Getränke, die
beim Warten helfen sollten ))). Gegen zwei Uhr früh hat Andrey Lena gefragt, ob sie für die Deutschen Borschtsch kochen würde? Gerne! - sagte sie und... wir durften schmecken.
Nowosibirsk ist mit knapp 1,5 Millionen Anwohner die viert grösste Stadt Russlands. Ausserdem liegt hier der geografische Mittelpunkt des Landes.
Den gesamten Stoff von der Stadtrundfahrt möchte ich hier nicht wiederholen. Schaffe ich sowieso nicht besser als die Uni Professorin, die uns in deutsch begleitet hat.
Am Abend gegen 20 Uhr sind wir mit einem Reisebus losgefahren. Es lagen 760 unvergessliche Kilometer der wunderbaren Strasse Tchujskij Trakt, die einst ein Abzweig der Seidenstrasse war.
Am nächsten Morgen kam Tursunbek. Der mit seinem "UAZ" fuhr uns weitere 300 km über Kuraj und Tchuja Steppen und Kosh-Agatch (letzte Siedlung vor Tashanta und mongolischer Grenze) nach Dzhasator.
Hier endete die Zivilisation, ich meine die Reste der Zivilisation, die entlang der Tchuja Trakt stark abgebaut hat.
Örtlicher Tierarzt Albert ist sehr bekannt in der Republik Altai und der Umgebung. Viele Touristen jeder Art planen ihre Routen nur mit Rat und Tat von ihm. Er organisiert Transport, Pferde und
Guides, berät über Wasserhöhen und Durchgängigkeit bestimmter Strecken und gibt sehr gastfreundliche Unterkunft. Wir bekamen leckeres nationales Essen zum Abend, starken Dampf in Banja (russische
Sauna) und konnten direkt vor Ort den Start unserer Expedition bei einer Rettungsstelle melden.
Am 13.07, dem Tag des deutschen Triumphes ging es los. Eine Woche purer Adrenalin, gefährliche Auf- und Abstiege, Höhen bis 3000 Meter, morgiger Schnee und viele anderen spassbringende Sachen. Weiß jeder selbst: solche Sachen kann man erleben aber nicht beschreiben.
Alachinskoe See. Nach 11 Stunden Tagesritt und völlig erschöpft trafen wir hier auf die Grenzschützer. Passkontrolle? Identitätsprüfung? Permitsvorführung? Alles Fehlanzeige!
"Jungs, kommt runter von Pferden. Wir haben heissen Tee hier. Trinkt erstmal." Ich schwöre, ich habe noch nie etwas besseres und wertvolles in meinen Händen gehalten als diesen Tee. Die häusliche und
freundliche Atmosphäre haben die am Nebenbaum stehende Kalaschnikow nur deutlicher gemacht )))
Kontroliert wurde am nächsten Tag als wir gegen elf nach einem Dauerregen aus den Zelten raus gekommen sind. Es war ein Ruhetag.
See Kaldzhinkol. Nach einer Woche hat uns die Nachricht erreicht, dass Deutschland fussballbeste geworden war! Die frohe Botschaft kam von der süssen Kristine, der Dolmetscherin einer Ü 50 Holländergruppe. Die 15 köpfige Herde war unter Führung von 67 jähriger pensionierter Biologin zum See aus anderer Richtung gekommen und wollte uns zunächst nichts von unserem allen Erfolg erzählen: "Wir haben keine Ahnung vom Fussball". Holländer halt. ))) Die hatten sogar eine Köchin.
Ah ja, auf den Fotos sind noch zwei Russen zu sehen. Sergej - unser Bootsmann - hat sich unserer Mannschaft in Nowosibirsk angeschlossen. Ausser ihn wurde die Gruppe von einziger Frau gestärkt.
Auf dem Pateau, wo Himmel einem fast auf den Schultern liegt, haben wir wieder Tursunbek getroffen, der uns über zwei Bergpässe brachte und der Abenteuer ging weiter.
Tursunbek hielt nicht umsonst an dieser Stelle an. Nach einer Ess- und Rauchpause schmiss er einpaar Münzen auf die Strasse und das Auto begann auf den Pass Tjoplyj Kljutch (Warme Quelle) zu klettern. Hier fiel zum ersten Mal der Satz "Andreas, wir dachten, das wäre schon alles!"
3000 Meter. Wieder fielen Münzen als Dankeschön fürs Heilebleiben und es ging langsam runter.
Dieses Luxusschloss kostete uns sagenhafte 400 Rubel (damals etwa 8€) und verfügte über 1 Siebenmannbett, 1 Zweimannbett, 1 Tisch, 1 Bank und 1 Offen, der mit Kuhmist geheizt wurde.
Am Abend hat meine Neugier über die Scheue gesiegt und ich fragte Tursunbek, was er Rest des Jahres macht, wenn er im Sommer die Bekloppten wie uns in Altai sammelt. "Wohl ziehst du die Viehe durch
die Gegend?" - "Ich bin Physiklehrer in der Schule bei uns im Dorf." - folgte die Antwort...
Am nächsten Tag warteten ca. 500 km teilweise sehr "unvorbereiteter" Strasse bis in das Tchulyschman Tal.
Einigermaßen glücklich unten angekommen haben wir das nächste Kapitel unserer Reise aufgeschlagen - Tschulyschman Tal.
Bis zu unserem nächstem Camp waren nur noch 53 Kilometer. Aber was für welche!
Wir brauchten etwas Ruhe nach diesen verrückten zwei Wochen, wo die Landschaften und das Geschehen sich um die Wette gewechselt haben. Und haben unsere Ruhe bekommen. Ganzen Tag haben wir so gut wie nichts gemacht. Nur gefischt, geklettert und gebadet.
Die Kräfte, die wir somit gesammelt haben, brauchten wir schon am folgenden Tag, wo wir zu dem grössten Kaskadenwasserfall Altais aufgebrochen sind. 12 Kilometer lagen schon nach 5 Stunden hinter uns und der Weg wurde mit einem kalten Bad gelohnt.
Darf ich vorstellen? Utschar!
Kaum zu glauben, aber man kann tatsächlich noch einen hier gut hören. Vorausgesetzt man schreit dir direkt ins Ohr )))
Uns erwartete noch eine kurze Fahrt weiter dem Tschulyschman gefolgt bis zu seiner Einmündung in Teletskoe See.
Ich habe der Gruppe einige Dinger nicht komplett geschildert bevor die Reise losging. Das wäre zum Beispiel die Tatsache, dass der "Schischiga" (GAZ-66) uns nicht direkt zum Altyn Too mit seinen Holzhütten bringt, sondern nur zum Ufer des Seeanschlusses. Ehrlichgesagt habe ich es selbst vergessen. Das Schiff war aber trotzdem da und wir mussten nicht schwimmen. Wäre auch nicht günstig mit ganzem Gepäck.
Teletskoe, wie auch jedes Örtchen Altais, hat sich viele Legenden und Erzählungen erlangen, um die zu beschreiben sollte mann schon ein Verlag kontaktieren, es gibt bestimmt ein Honorar dafür. Es
wird behauptet, dass, wenn man in See weit vom Ufer fällt, kriegt man binnen 10 Minuten einen Herzstillstand wegen der Kälte des Wassers und einst versunken taucht man nicht mehr auf. Also Ideal
Delikt detekted. 
Emil (links) der Barkeeper hat deutsche Sprache gehört und hat uns eingeladen auf ein Drink auf seine Kosten "Weil der deutsche Fussball der beste ist!". Irgendwann um Mitternacht habe ich aufgehört zu dolmetschen. Deutsch und Russisch haben sich miteinander verknüpft und erstellten im Zusammenhang mit "Bienentanz" ein perfektes Kommunikationsmittel.
Stellt Euch vor es gibt kein Licht, Ihr müsst dringend raus und wisst nicht mehr, wie Ihr hochgegangen seid. Also habe ich kurz Apostel Paul in die Augen geguckt und wachte wieder unten auf.
Finger gebrochen, halb so wild. "Wir haben schon schlimmeres erlebt", - sagten die Jungs beim Frühstück unser Moto der letzen Wochen.
Arthur kam pünktlich und fuhr uns über den See knapp 80 Kilometer.
Letzter Drittel der Fahrt war schon ziemlich unheimlich. Es gab Sturmwetter. Wenn man am Teletskoe kein Wind erlebt hat, kann man vom Gluck sprechen. Andererseits wäre dann der Besuch nicht vollkommen. Wir sind am Ziel angekommen und haben nochmal unser Moto losgelassen. Allerdings nicht so brav dieses Mal.
Das war genau der Moment, wo wir alle wussten: wir haben es geschafft! Es gab natürlich noch eine Fahrt nach Nowosibirsk mit seinem Nachtleben, der Flug nach Hause und einpaar Tage Erholung vom Urlaub. Aber hier wurde klar, ich muss es wiederholen. Allein dafür, dass noch eine Handvoll Deutschen versteht durch eigenes Erleben: es gibt kein Feind mehr namens Russland. Und das war das eigentliche Ziel der ganzen Expedition.